Osho Diskurs
Ich bitte euch: Bleibt offen!
Frage an Osho:
„Osho, dir zufolge können wir erst dann die volle Verantwortung für uns selbst übernehmen, wenn wir erwacht sind. Die westliche Bewegung der Humanistischen Psychologie behauptet dagegen, dass wir erst erwachen können, wenn wir die volle Verantwortung für uns selbst übernehmen. Gibt es da einen Widerspruch? Kommentiere bitte.“
Anand Salam, von Widerspruch kann gar keine Rede sein – das sind einfach nur zwei verschiedene Betrachtungsweisen desselben Phänomens. Das sind zwei Aspekte ein und desselben Vorgangs; sie gehören zusammen, finden gleichzeitig statt. Sie widersprechen sich nicht, sondern ergänzen einander.
Wenn ich sage, dass ihr erst dann voll für euch selber verantwortlich sein könnt, wenn ihr erwacht seid, will ich damit sagen, dass ihr nicht einmal wisst, wer ihr seid. Wie könnt ihr für etwas die Verantwortung übernehmen, das euch nicht mal bewusst ist? Ihr kennt bisher nur die Spitze des Eisbergs. Wie könnt ihr da die Verantwortung für das Unbewusste übernehmen, welches neunmal so groß ist wie das Bewusste? Das Bewusste kann allenfalls für das Bewusste verantwortlich sein. Selbst das ist schwierig, da es ständig vom Unbewussten beeinflusst wird. Ihr werdet durch das Unbewusste in Dinge hineingezogen, hineingeschleppt – und wisst überhaupt nicht warum.
Ihr verliebt euch in einen Mann oder eine Frau … wie könnt ihr dafür die Verantwortung übernehmen? Schließlich verliebt ihr euch nicht infolge einer bewussten Entscheidung, sondern unbewusst. Es überwältigt euch einfach; irgendwann merkt ihr auf einmal, dass ihr verliebt seid. Ihr habt nichts dazu beigetragen, ihr habt es nicht beabsichtigt, ihr habt es nicht geplant. Es kommt aus dem Nichts heraus, aus heiterem Himmel … und es ergreift Besitz von euch, ihr seid bis zum Wahnsinn davon besessen. Wie könnt ihr die Verantwortung für eure Liebe übernehmen? Ihr habt keine Ahnung von den Wurzeln der Liebe.
Darum sage ich: Solange ihr noch nicht aufgewacht seid, könnt ihr die volle Verantwortung nicht übernehmen. Eure Verantwortung wird bruchstückhaft sein, oberflächlich, ohne Tiefe.
Und die Leute der Wachstumsbewegung haben ebenfalls recht, wenn sie sagen, dass wir nicht eher aufwachen können, als bis wir die volle Verantwortung für uns übernehmen. Ja – wie sonst wollt ihr aufwachen? Ihr müsst anfangen, die Verantwortung zu übernehmen. Sie kann vorläufig nicht restlos sein – dann lasst sie eben teilweise sein. Sie kann noch nicht absolut sein – aber fangt wenigstens an. Sie kann halt nur bruchstückhaft sein, nicht restlos. Seid unbesorgt: Selbst eine unvollständige Verantwortung ist besser als Verantwortungslosigkeit. Schon das Bewusstsein eines kleinen Teils eurer Existenz ist weit besser als Unbewusstheit.
Ihr habt nicht die Wahl zwischen restloser und partieller Bewusstheit, sondern nur zwischen partieller Bewusstheit und gar keiner Bewusstheit. Wählt die partielle Bewusstheit; das ist es, was die Leute der Humanistischen Psychologie sagen – zu recht. Und wenn ihr beschließt, die Verantwortung für ein paar Dinge zu übernehmen, werdet ihr etwas achtsamer werden, werdet ihr etwas verantwortlicher werden … und so weiter und so fort.
Je verantwortlicher ihr werdet, desto achtsamer; je achtsamer ihr werdet, desto verantwortlicher. Beides geht Hand in Hand.
Der Ansatz der Humanistischen Psychologie ist ein allmählicher Erleuchtungsprozess. Wovon ich rede, ist kein Prozess, sondern eine metanoia, eine Metamorphose, eine Verwandlung, eine plötzliche Verwandlung. Wenn ihr mich versteht, könnt ihr im Nu blitzartig erleuchtet werden. Doch wenn ihr mich nicht versteht, dann werdet ihr langsam kriechen müssen … durch Gruppenprozesse, Meditationen, Gebete, Yoga, Tantra, Tao … dann wird es langsam, ganz langsam gehen. Entweder man wird in diesem Moment, auf der Stelle erleuchtet oder man muss langsam, ganz langsam hineinwachsen. Der Ansatz der Humanistischen Psychologie ist ein Wachstumsprozess; wachsen kann man nur allmählich.
Was ich euch lehre, ist plötzliche Erleuchtung, die keiner Zeit bedarf, nicht einmal eines einzigen Augenblicks bedarf. Hört mir zu! Und im selben Moment … denn das, was ich euch sage oder zu sagen versuche, ist, dass ihr längst erleuchtet seid. Ihr braucht nicht erleuchtet zu werden. Ihr habt es nur vergessen; es ist eine Art von Vergesslichkeit. Ihr braucht es nicht zu werden, ihr seid es bereits. Erkennt es lediglich, geht lediglich in euch, ein einziger tiefer Blick in euer Inneres … und ihr werdet loslachen. Ihr seid längst angekommen! Ihr seid von Anfang an nie weggegangen!
Erleuchtung ist eure Natur.
…
Der vollständige Text kann in der Printausgabe gelesen werden.