Editorial 03/2011
Thema: Dankbarkeit
Liebe Freunde,
Danke.
Was für ein machtvolles kleines Wort! Aus tiefstem Herzen empfunden strömt es Freude und Wärme aus. Es wirkt entspannend, verbindend und zaubert ein wunderschönes Lächeln hervor. Mit seiner Hilfe schauen die Leute sich in die Augen.
Nur selten drängelt es sich vor – dann meist ganz spontan und voller Unschuld. Manche sagen es. Manche sagen es nicht. Sind scheu, verlegen oder sprachlos – zu überwältigend ist das Empfangene.
Leider kommt es nicht immer von Herzen. Manchmal ist unser "Danke" pure Höflichkeit oder einfach nur dahingesagt, um das Leben zu erleichtern. Dann kommt die leere Hülse umgehend retour und hinterlässt ein fades Gefühl. Manchmal lassen wir es auch von geheucheltem Bückling und falschem Getue begleiten: "Oh, danke sehr, das wäre doch nicht nötig gewesen!" Denken aber insgeheim: "Beim nächsten Besuch muss ich mindestens einen Blumenstrauß mitbringen!" Oder voller Hochmut: "Diese ollen Tulpen waren nun wirklich nicht nötig!"
Echte Dankbarkeit versteht, dass nichts im Leben selbstverständlich ist. Jeder Moment beschenkt uns. Sobald ich dies erkenne, bin ich reich, denn die kostbarsten Dinge im Leben kosten nichts: der glückliche Gesang der Vögel, die den Frühling begrüßen, und all die Farben der Natur – das silbrige Mondlicht und die goldenen Sonnenstrahlen, Tulpenrot und erstes Grün, kristallklares Wasser, tiefblauer Himmel und nebelgraue Nacht. Wir können gehen, lachen, weinen, hören, sehen und schmecken. Öffne ich meine Augen, sehe ich überall Liebesdienste hervorsprudeln. Unverdiente Geschenke, für die ich nichts tun musste.
Und wie schnell ist mir das alles selbstverständlich, bin ich empört und gierig, wenn etwas nicht sofort so eintrifft, wie ich es mir vorgestellt hatte: "Das steht mir zu!" oder "Schließlich hab ich was Besseres verdient!"
Doch wie schaut es bei mir selber aus? Bin ich etwa so großzügig, wie ich es von den andern erwarte? Teile ich denn mit ihnen all meine Talente, Liebe, Energie und Besitz voller Freude und ohne Hintergedanken? Oder bleib ich drauf sitzen – gleichgültig, geizig oder vor lauter Scham, sie seien nichts wert?
Schon allein diese Bestandsaufnahme kann mich zur Dankbarkeit hinführen. Und ja, sie rückt mir auch sehr deutlich all die Momente ins Bewusstsein, in denen ich nicht voller Lebensfreude überfließe und vom Leben einklage, dass es mich bitte schön füttern soll.
Osho: "Es wird also Zeiten geben, in denen du keinen Augenblick Frieden, Stille, Meditation, Liebe, Seligkeit findest. Aber gib die Hoffnung nicht auf. Vielleicht sind solche Augenblicke nur dazu da, dich zu kristallisieren, dich stark zu machen. … Wer dann dankbar sein kann, wenn alles danebengeht, ist wirklich dankbar; er weiß um die Schönheit des Dankbarseins."
Und: "Wenn du frustriert bist, meinst du, die Existenz wolle dir eins auswischen. Nein: Du hast nur zuviel verlangt. Tatsächlich ist es so: Fordere, und du wirst frustriert werden. Jegliches Fordern ist ein Fordern zu viel. Fordere nicht, sei. Und du wirst überrascht feststellen: Alles, was geschieht, ist gut; du kannst es unmöglich beurteilen …"
Viel Spaß beim Lesen!
Anandi